Renaturierungen

Was ist Gewässerentwicklung?

Die Gewässerentwicklung ist eine fachübergreifende wasserwirtschaftliche Querschnittsaufgabe. Sie leistet einen wesentlichen Beitrag zum wasserrechtlich definierten Bewirtschaftungsziel des guten ökologischen Gewässerzustands. Die naturnahe Gewässerentwicklung leistet dabei einen Beitrag zur Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft und damit auch zu deren Erholungsfunktion für den Menschen. Die Vermeidung und Verminderung von Hochwasserrisiken ist zudem integrativer Bestandteil einer nachhaltigen
Gewässerentwicklung.

Maßnahmen am Gewässer/ Gewässerrenaturierung

Gewässerbezogene Maßnahmen zielen auf einen gleichmäßigen Wasserabfluss und die Förderung der Wasserbildung ab. Dabei wird die Fließstrecke des Gewässers verlängert, während der Abfluss durch eine erhöhte Profilrauheit verlangsamt wird – renaturierte Auen und Feuchtbiotope dienen dabei als Rückhalteflächen bei Uferübertritten.

Die Abflussgeschwindigkeit lässt sich reduzieren, in dem man Bachbett und Ufer der natürlichen Sukzession überlässt. So bilden sich krautige Pflanzen aus, die die Profilrauheit erhöhen und den Wasserfluss bremsen. Dafür sollten insbesondere bei schmalen Bächen das Bachprofil verbreitert werden, so dass die Wassertiefe möglichst gering bleibt, bei gleichzeitigem möglichst breitem Abfluss. Auch Abflussmulden in Ackerlagen bieten sich hierfür an. Uferbepflanzungen sollten daher nicht über alle Maße hinaus kurzgeschnitten werden. Es ist wichtig die Durchgängigkeit des Gewässers sicherzustellen, daher müssen die Uferbepflanzungen dahingehend gepflegt werden, dass der Wasserfluss nicht blockiert wird. Ein „aufgeräumtes“ Ufer allerdings ist jedoch alles andere als naturnah und sorgt nur für einen ungebremsten Wasserabfluss. Auch werden so Stoffeinträge z.B. von angrenzenden Feldern nicht mehr gefiltert und es gelangen mehr Sedimente
in das Gewässer.

Heutiger Verlauf des Swistbach zwischen Kalenborn und Esch

Eine Verlängerung der Fließstrecke wird durch Renaturierung der Gewässerläufe erreicht. Die meisten Bäche in Deutschland befinden sich nicht in ihrem natürlichen Zustand, sondern wurden begradigt, umgelenkt oder verschmälert. Auch in der Gemeinde Grafschaft wurden Gewässer begradigt, wie zum Beispiel der Swistbach zwischen Kalenborn und Grafschaft-Esch. Die „Tranchot-Karten“ aus diesem Gebiet zeigen hier im Vergleich die ursprüngliche, mäandrierende Form des Swistbaches.  

Während beispielsweise ein begradigter Fluss in etwas so lang ist wie sein Tal, ist ein naturbelassener Fluss 2 bis 2,5-mal so lang wie sein Tal. Dies verringert die Abflussgeschwindigkeit und gibt dem Gewässer gleichzeitig mehr Raum um sich auszudehnen bei extremen Niederschlägen.

Verlauf des Swistbach zwischen Kalenborn und Esch aus der Topographische Aufnahme der Rheinlande (auch Tranchotkarte genannt), zwischen 1803 und 1820

Bei der Renaturierung von Gewässern können auch ehemalige oder entwässerte Auen wieder renaturiert werden, die es auf der Grafschaft an vielen Gewässerabschnitten gab (siehe die blau gefärbten Bereiche in den Tranchot-Karten. Dabei wird das Gewässer derart renaturiert, dass möglichst eine ganzjährige Durchgängigkeit gegeben ist und bei Hochwasser ein Übertreten des Wassers in die angrenzenden Auengebiete ermöglicht wird. Dazu müssen auch bestehende Entwässerungssysteme in den Auen entfernt werden, sodass entlang des Gewässers eine breite Feuchtzone entstehen kann. Dies bietet erweiterte Retentionsräume und kann in der Summe zu einer deutlichen Abflachung der Hochwasserspitzen führen.

Allerdings muss dabei auch beachtet werden, dass ufernahe Bereiche nach einer solchen Renaturierung nicht mehr für die bisherige landwirtschaftliche Nutzung geeignet sind, da die Auengebiete zeitweise überflutet werden. Daher empfiehlt sich auch, dass sich die betroffenen Grundstücke in öffentlicher Hand befinden oder nur extensiv als Feuchtwiesen genutzt werden.

Die Gemeinde Grafschaft kauft zu solchen Zwecken Uferrandstreifen an. Oft scheitern die Grundstücksverhandlungen aber auch an den deutlich höher liegenden Preisvorstellungen als den Bodenrichtwerten. Daher werden Renaturierungsprojekte auch, nach Aufsetzen von langfristigen Vereinbarungen, auf Privatgrundstücken durchgeführt. Beide Varianten sind förderfähig. In den Gewässerentwicklungsplänen, die in den nächsten Jahren angestoßen werden müssen, um weiterhin Förderungen für Gewässerbau zu erhalten, sollen solche Gewässerentwicklungsflächen ausgewiesen werden. Auch bei der Änderung von Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen sollen Entwicklungskorridore Berücksichtigung finden.

Renaturierungsprojekte der Gemeinde Grafschaft

Erläuterungen zur Verlegung des Leimersdorfer Baches in den natürlichen Bereich der ehemaligen Bachaue und Renaturierung der Bachaue zwischen Grafschaft-Nierendorf und der Straßenkreuzung „Deutsches Eck“

Projektbeteiligte:

  • Gemeinde Grafschaft (federführend für die Auenrenaturierung)    
  • Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler   
  • Landesbetrieb Mobilität Cochem-Koblenz (federführend für den Ausbau der Landstraße 80 (L80); Parallele eigenständige Maßnahme)
  • Kreisverwaltung Ahrweiler (Genehmigungsbehörde Plangenehmigungsverfahren)
  • Struktur- und Dienstleistungsdirektion Nord (wasserwirtschaftliche Begleitung und Beratung)
Informationspavillon Auelsgarten Nierendorf

Insgesamt ist vorgesehen, die geplante Maßnahme als Gemeinschaftsmaßnahme der Kommunen, der Wasserwirtschaftsverwaltung sowie der Straßenbauverwaltung in Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Naturschutzbehörden und Naturschutzverbänden zu planen und durchzuführen.

Veranlassung

Am 04.06.2016 ereignete sich im Bereich der Ortslagen Leimersdorf-Birresdorf-Nierendorf ein Starkregenereignis, welches zum Überlaufen des Hochwasserrückhaltebeckens oberhalb der Ortslage Nierendorf und in der Folge zu einem Hochwasserereignis in den Ortslagen Nierendorf auf dem Gebiet der Gemeinde Grafschaft sowie den Stadtteilen Gimmigen und Heppingen auf dem Gebiet der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, führte.

Die Renaturierung des Leimersdorfer Baches ist nicht nur für die Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen nach den Starkregenereignissen 2016 in Verbindung mit den Ereignissen aus 2013 und 2010, sondern auch zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL-EG) notwendig.

Im Bereich der Ortslage Nierendorf wurden seitdem erhebliche Aufwendungen zur Profilerweiterung und Renaturierung der Uferrandzonen betrieben. Weiterhin musste das Gerinne der Notentlastung des Hochwasserrückhaltebeckens Nierendorf umgebaut und erneuert werden und Profilierungen im Bereich der vorhandenen landwirtschaftlichen Wege zur Schaffung von Notwasserwegen durchgeführt werden. Innerhalb der Ortslage Nierendorf sind die Querschnittserweiterungen und der Ausbau der Brückenstraße als Notwasserweg zur Reduzierung von Überschwemmungen abgeschlossen.

Im Bereich der Ortslage „Niedernierendorf“ waren bisher keine sinnvollen Maßnahmen möglich. Hier ist es erforderlich, den derzeitigen Bachlauf durch langsame, gezielte Rückführung in den Bereich der Bachaue zu führen. Im Zuge einer solchen Maßnahme ist es möglich, durch gezielte Abgrabungen den ehemals vorhandenen Bereich der Bachaue wiederherzustellen und darüber hinaus ein weiteres Retentionsvolumen von ca. 44.000³einzurichten, welches die Dynamik des Baches, gerade in Hochwasserphasen, enorm verringert. Die Pläne hierzu beruhen auf einer Tranchot-Karte, welche das Gebiet der alten Bachaue des Nierendorfer Baches gut darstellt.

Seit längerer Zeit wird durch den Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz im betreffenden Bereich der Ausbau der L80, von der Ortslage Nierendorf bis zum Deutschen Eck, geplant. Durch die Nutzung des Aushubs aus dem geplanten Auengebiet als Dammschüttung können Synergien genutzt und nachhaltig und umweltschonender gebaut werden.

Planung:

Vorgesehen ist die Rückverlegung des Baulaufes in den Bereich der ehemaligen Bachaue. Das Querungsbauwerk der L80 mit dem Leimersdorfer Bach oberhalb des Deutschen Eck wird erneuert. Hierbei wird die Durchgängigkeit der Gewässersohle wiederhergestellt.

Vom neuen Querungsbauwerk aus in Richtung Risch-Mühle soll am vorhandenen Bachlauf die Ufereinfassung entfernt werden, sodass eine natürliche Entwicklung und Ausbreitung ermöglicht wird. Auf dem angrenzenden Gelände, welches derzeit landwirtschaftlich genutzt wird, sollen die Aufschüttungen entfernt werden und eine Geländeprofilierung so erfolgen, dass ein Überschwemmen der Flächen bereits bei kleineren Hochwasserereignissen möglich wird. In diesem Bereich können zusätzliche Vertiefungen in der Profilierung angelegt werden, sodass bei zurückgehendem Hochwasser Stauwasserbereiche entstehen.

Im Bereich der Straße und des geplanten Radweges wird eine ergänzende Dammschüttung zur Aufnahme der Radwegeflächen hergestellt. Die Dammschüttung soll mit dem aus dem Aushub der Aue gewonnenen Material ausgeführt werden. Für die Herstellung der Dammschüttung wird das Material mit einer qualifizierten Bodenverbesserung (Kalk-Zement-Stabilisation) aufbereitet.

In enger Zusammenarbeit und zeitlicher Abstimmung zwischen den Projektbeteiligten soll der Straßenbau, der Radwegebau und die Erneuerung des Brückenbauwerkes   L 80 / Deutsche Eck (Nierendorfbrücke) realisiert werden.

Nach Erteilung der Wasserrechtlichen Genehmigung am 05. Mai 2020 konnten im Februar 2021 die Rodungen durchgeführt werden. Die Förderungen im Fachverfahren MIP-Förderung (Zuwendung für wasserwirtschaftliche Maßnahmen Rheinland-Pfalz) sowie die zusätzliche Förderung durch die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz wurden fristgerecht beantragt. Beide Förderungen wurden bewilligt.

Bauzeit und Realisierung

Die Bauzeit für die Durchführung der Arbeiten (ohne Straßenbau) wird derzeit mit rd. 12 bis 15 Monate abgeschätzt. Im Bereich der wasserbaulichen Arbeiten sind die Witterungseinflüsse zu berücksichtigen. Derzeit wird jedoch davon ausgegangen, dass aufgrund der Plangebietsgröße keine Unterbrechungen der Arbeiten zu befürchten sind. Durch die Flutkatastrophe im Kreis Ahrweiler 2021, bei der durch das vorangegangene Starkregenereignis auch 5 Ortschaften im Gemeindegebiet stark betroffen waren, sowie die nachfolgenden Wiederaufbaumaßnahmen, musste der Ausführungsbeginn auf Sommer 2023 geschoben werden. Die Realisierung der Verlegung des Leimersdorfer Baches in den natürlichen Bereich der ehemaligen Bachaue und Renaturierung der Bachaue zwischen Grafschaft-Nierendorf und der Straßenkreuzung „Deutsches Eck“ soll aber bis Sommer 2024 erfolgt sein.

Kosten

Für die geplante Wiederherstellung und Renaturierung der Bachaue werden die Kosten derzeit mit Gesamtbaukosten in Höhe von rd. 3,610 Mio. € geschätzt. Inhalt dieses Baukostenansatzes sind anteilige Kosten, welche dem Straßen- und Radwegebau zuzurechnen sind in Höhe von rd. 470 T. €.

Den Baukosten sind noch die Nebenkosten sowie die erforderlichen Ingenieurleistungen, Planungsleistungen und gutachterlichen Leistungen hinzuzurechnen, sodass derzeit von Projektkosten in Höhe von rd. 4,1 Mio. € ausgegangen werden muss.

Förderung

Förderung Aktion Blau Plus 75 % (= rd. 3,1 Mio. € /AHK 4,1 Mio.€)

Bauphase 1 :Förderungsbetrag von rd. 1,837 Mio.€

Bauphase 2: Förderungsbetrag von rd. 1.297 Mio.€

Förderung Stiftung Natur und Umwelt: 86 T.€

Gesamtfördersumme: 3.220 Mio €

Baubüro

Zur besseren Koordinierung der gemeinsamen Baumaßnahme Auenrenaturierung und Ausbau der L80 von Niedernierendorf zum deutschen Eck wurde beschlossen, ein gemeinsames Baubüro einzurichten. Dieses wird von allen an der Bauphase hauptbeteiligten Akteuren genutzt werden. Das Baubüro soll ebenfalls als zentrale Anlaufstelle für Bürgeranfragen zur Baumaßnahme genutzt werden. Dies soll durch Jour-fixe-Termine (regelmäßige Baubesprechungen mit Öffentlichkeitsbeteiligung ) sowie Bürgerinformationsveranstaltung bzw. Bürgersprechstunden realisiert werden.

Die Einrichtung ist bereits erfolgt. Die Besetzung des Baubüros erfolgt zum Ausführungsbeginn. Weitere Informationen folgen…