Straßenbau und Hochwasserschutz
Dammstraßen gegen Hochwasser in der Grafschaft
Der Grafschafter Ortsteil Oeverich soll vom Verkehr entlastet werden. Von der im Vordergrund zu sehenden, ins Dorf führenden Straße soll vor dem Ortseingang eine Umgehung rechts um den Ort herum zur Landskroner Straße zwischen Niederich und Leimersdorf führen (rechts, oberer Bildrand).
Dieses inzwischen von der Gemeinde gekaufte Haus fiel dem Unwetter 2016 zum Opfer. Nun soll dort ein Regenrückhaltebecken entstehen.
GRAFSCHAFT. Neue Umgehungsstraßen sollen die Grafschafter vor Hochwasserfluten schützen – und vor Durchgangsverkehr. „So würden wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, sagt Bürgermeister Achim Juchem.
Generalanzeiger, von Victor Francke, 29.01.2019
Die Gemeinde Grafschaft will zunehmend den Durchgangsverkehr aus den Ortschaften raus halten. Dies mit Hilfe von Umgehungsstraßen. Sowohl für Oeverich und Niederich, Vettelhoven, Ringen, Bölingen als auch für Gelsdorf sind Entlastungstrassen geplant, die dafür sorgen, dass sich Autofahrer nicht mehr länger durch die zumeist engen Ortsdurchfahrten quälen müssen. Mit dem beabsichtigten Straßenbau soll zugleich der Hochwasserschutz in der Grafschaft verbessert werden. Denn die neuen Verbindungen sollen – soweit möglich – eine Dammfunktion bekommen. Bürgermeister Achim Juchem: „So würden wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“
Friedhelm Moog ist Bauamtsleiter in der Gemeinde Grafschaft. In seinem Büro im Ringener Rathaus türmen sich Akten, hängen Pläne an der Wand. Kartiert sind dort unterirdische und überirdische Wasserverläufe, Strömungsrichtungen und neuralgische Punkte bei Unwetterlagen. Erarbeitet wurden sie von drei Fachbüros. Dies auf der Basis von in Bürgerforen und mit der örtlichen Landwirtschaft erarbeiteten Daten. Denn der künftige Hochwasserschutz spielt beim Bau neuer Straßenverbindungen eine große Rolle.
Beispiel Oeverich: Der Ort ist klein, die Durchgangsstraßen sind eng und für den Schwerlastverkehr zu schmal. Eine neue Spange soll für Abhilfe sorgen. Von Fritzdorf würde sie Ringen und den Innovationspark verbinden und in Richtung Leimersdorf führen, wo sie zwischen Niederich und Leimersdorf in Höhe der Tongrube auf die vorhandene Landskroner Straße stoßen soll. Die neue Querverbindung soll allerdings höher gebaut werden als übliche Straßen, sodass eine Dammfunktion erwirkt wird.
Machbarkeitsstudie in Auftrag geben
Der Grund: Vom höchsten Punkt des Areals, auf dem möglicherweise ein FOC am Rande des Innovationsparks gebaut werden könnte, fließt Wasser über die Felder in Richtung Norden, also nach Oeverich. Aus westlicher Richtung dringt Wasser von Höhe der „Aussiedlerhöfe“ ebenfalls in den kleinen Ort. Um das Wasser fern zu halten, bietet sich eine neue „Dammstraße“ an. Mit Drainagen alleine, so Friedhelm Moog, sei es nicht getan: „Die nutzen da gar nichts, die sind blitzschnell voll.“
Gräben und Dämme hingegen seien weitaus wirkungsvoller. Zudem will man zwischen Leimersdorf und Birresdorf ein neues Regenrückhaltebecken bauen, das bis zu 100.000 Kubikmeter Wasser aufnehmen kann. Just an der Stelle, wo beim vergangenen Jahrhundert-Unwetter die Brücke und in unmittelbarer Nähe ein Einfamilienhaus nahezu fortgespült wurden. Das Anwesen der nicht mehr bewohnbaren Immobilie hat die Gemeinde unlängst gekauft. Mit einem „Kaskadenbecken“ in diesem Bereich will man etwaige künftige Wassermassen besser unter Kontrolle halten.
In der nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses der Gemeinde Grafschaft will man nun eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Moog geht davon aus, dass allerdings noch gut und gerne drei Jahre ins Land ziehen werden, ehe mit dem Bau der Straße begonnen werden kann. Zum einen sei das erforderliche Genehmigungsverfahren zeitlich aufwendig, zum anderen müssten Grundstückskäufe für die rund drei Kilometer lange neue Trasse getätigt werden.
Ähnlich verhält es sich mit der Spange, die Vettelhoven, Bölingen und Ringen entlasten soll. Von Haribo im Innovationspark soll sie parallel zur Autobahn verlaufen, dann in Richtung Vettelhoven abschwenken. Gerade bei Unfällen und Sperrungen auf der A 61 wird gerne am Lkw-Parkplatz „Goldene Meile“ verbotenerweise von der Autobahn abgefahren. Zum Verdruss der Grafschafter nutzen dann Auto- und Fernfahrer die engen Grafschafter Straßen, um in Bad Neuenahr wieder auf die A 61 zu gelangen.
Entlastung für Gelsdorf
Mit einer neuen Verbindung könnten jedoch aus Gelsdorf oder Vettelhoven kommende Autofahrer bequem in Richtung Innovationspark und von dort aus auf die Autobahn gelangen. Bölingen, Ringen und Beller würden dann nicht mehr durchfahren. Langfristig erhofft sich Moog natürlich auch durch einen dreispurigen Ausbau der Autobahn erhebliche Entlastungen. „Das wird aber wohl noch zehn Jahre dauern“, bedauert der 61-jährige Bauamtsleiter.
Auch in Gelsdorf, ein besonders einwohnerstarker Ortsbezirk der Grafschaft, soll es Entlastungen geben. Um die Engpässe im Bereich der Neuenahrer- und Dürener Straße zu umgehen, will die Gemeinde ab dem Norma-Markt in südliche Richtung eine neue Straßenverbindung zur Altenahrer Straße in Höhe des dortigen Feuerwehrgerätehauses schaffen. Das Nadelöhr im Ortskern würde so umfahren.
Der Hochwasserschutz spielt auch bei dieser Maßnahme eine nicht unerhebliche Rolle, denn auch diese neue Spange soll zum künstlich angelegten Damm werden. Friedhelm Moog: „Hier muss allerdings noch einiges neu berechnet werden.“ Dies gelte insbesondere für ein in Planung befindliches Regenrückhaltebecken, das im Unwetter-Fall 30.000 Kubik aufnehmen soll.